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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

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AUS.GEZEICHNET

Studieren, um zu bleiben

Das neue Studentenwohnhaus in Wädenswil bietet 64 Studierenden eine Unterkunft auf Zeit. Die Lage ist bestens, die Aussicht top. Man könnte es niemandem verübeln, wenn hier jemand ein Zusatzsemester dranhängen würde.

Text Susanne Lieber | Fotos Jürg Zimmermann | Pläne Hotz Partner AG

S?o manch einer würde bei diesem An- und Ausblick gerne (wieder) studieren. Keine Frage, die 64 jungen Menschen, die im neuen Studentenwohnhaus in Wädenswil (ZH) ein WG-Zimmer oder ein Studio ergattert haben, können sich glücklich schätzen. Auf der einen Seite der Neubauten befinden sich die Rebhänge des Weinbauzentrums Wädenswil, etwas weiter ist das Schloss Wädenswil zu sehen. Auf der anderen Seite liegt dem Gebäude der Zürichsee zu Füssen, und direkt unterhalb des Grundstücks führt das Bahntrassee vorbei. Es sorgt für optimale Anbindung – in nur wenigen Fahrminuten geht es von der Land­idylle in die grösste Stadt der Schweiz.

Der Neubau besteht aus zwei Baukörpern, die mit einem gemeinsamen Sockel verbunden sind. Der kleinere Kopfbau mit Satteldach nimmt Bezug auf eine alte Scheune, die zuvor an ebendieser Stelle stand. Es wurden zwar Untersuchungen gemacht, ob diese erhalten werden könnte, aber am Ende sprach alles dagegen: Das Volumen der Scheune war zu klein und ihre Bausubs­tanz einfach zu schlecht. Im Ersatzneubau sind im Obergeschoss nun Studierendenunterkünfte untergebracht, im Unter- und Erdgeschoss zudem Lagerräume und Büro­räumlichkeiten des Weinbauzentrums.

Der langgestreckte Nachbarbau mit gegenläufigem Pultdach folgt keiner klassischen Gebäudetypologie. Von der Seeseite aus betrachtet, ragt er am Hanggrundstück steil empor. Von den Rebhängen her betrachtet, wirkt er aufgrund der geringeren Gebäudehöhe deutlich gefälliger. Die vorgelagerten Holzveranden sind zudem charmant und einladend.

Dass die lange und schmale Parzelle mit zwei Bauten statt mit einem grossen Gebäude bebaut wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass in unmittelbarer Nachbarschaft ein altes Haus aus dem 19. Jahrhundert steht. Das eingeschossige Backsteingebäude, das zum Weinbauzentrum Wädenswil gehört, hat historische Bedeutung an jener Stelle. «Wir wollten im städtebaulichen Kontext keine Konkurrenz dazu schaffen», erklärt Architektin und Projektleitern Elina Geibel.


Massivbau versus Holzelementbau

Bei beiden Gebäuden handelt es sich um konstruktive Holzbauten auf einem Betonsockel mit aussteifenden Betonkernen. Wobei die Planung anfangs einen deutlich geringeren Holzanteil vorsah. «Im Laufe des Projekts konnten wir die Bauherrschaft aber davon überzeugen, auch im kon­struktiven Innenbereich verstärkt auf Holz zu setzen», so die Architektin. Was allerdings einige Planungsänderungen nach sich zog. «Der Verzicht auf die kontrollierte Wohnungslüftung hat die Transformation vom Massivbau zum Holzbau im Innenbereich vereinfacht, da diese zum Projektzeitpunkt konzeptionell nicht so einfach zu integrieren gewesen wäre.»


Der Entscheid für einen Bau mit erhöhtem Holzanteil lässt sich auf drei wesentliche Aspekte zurückführen: Zum einen passt das Material zur umliegenden Natur, zu den Rebhängen und der ländlichen Bebauung. Zum anderen war es für die Bauherrschaft wichtig, eine gewisse Vorbildfunktion zu übernehmen, was zukünftige Bauweisen angeht. Darüber hinaus strahlt Holz in Innenräumen eine gewisse Behaglichkeit aus. Die Deckenelemente bestehen hier aus CLT-Platten, also verleimten Mehrschichtholzplatten, die mit einem UV-Schutz versehen sind, damit das Holz nicht so stark vergilbt. Bei der Fassade wurde unbehandeltes Lärchenholz eingesetzt.


An einem Strang gezogen

Die Bauten waren ein sehr wichtiges Projekt für Wädenswil. Die Stadt ist als Hochschuldependance der ZHAW in den letzten Jahren sehr gewachsen. Mehrere Tausend Studenten pendeln täglich nach Wädenswil. Zu Stosszeiten ist der Bahnhof stark überlastet. Deshalb war die Stadt schon länger bestrebt, den Studierenden Unterkünfte vor Ort anzubieten. Zusammen mit der Bauherrschaft, der Stiftung Technische Obstverwertung, konnte das Vorhaben glücklicherweise umgesetzt werden. Sogar recht zügig, obwohl es noch die eine oder andere Herausforderung gab. Zum Beispiel hinsichtlich des Grundstücks: Die lange und sehr schmale Parzelle entlang der Gleise bot platztechnisch nicht viel Spielraum. Es musste deshalb von der Südostbahn zunächst eine Erlaubnis eingeholt werden, dass entsprechend dicht an die Grenze gebaut werden darf. «Wenn es um baurechtliche Abklärungen ging, waren stets alle auf der Seite des Projekts. Es wurden keine Steine in den Weg gelegt. Jeder war sehr bemüht, einen Weg zu finden, dass das Projekt gebaut werden kann», resümiert Elina Geibel und ist dabei voll des Lobes. Ein wichtiger Faktor bei dem Bauvorhaben war dabei das Mobilitätskonzept – das erste seiner Art, das in Wädenswil eingereicht wurde. Dazu die Architektin: «Wir hatten einfach keinen Platz für Parkplätze, und Studierende brauchen das auch nicht.» Baurechtlich musste dies jedoch erst nachgewiesen werden, aber auch in diesem Punkt ging alles reibungslos vonstatten.


Günstiger Wohnraum
Konkrete Vorgaben, wie viel Wohnungen oder wie viel Zimmer in den Neubauten untergebracht werden sollten, gab es keine. Eine Umfrage unter den Studierenden hatte allerdings ergeben, dass Wohnungen für drei bis vier Bewohner als am angenehmsten empfunden werden. Zusammen mit einem gemeinschaftlich genutzten Wohnzimmer und einer Küche ergeben sich daraus 5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen. Entsprechend wurden die Grundrisse dahingehend konfiguriert. Im UG war dies allerdings nicht möglich, weil dort die Räume ausschliesslich nach Norden ausgerichtet sind. Laut Baugesetz bedeutet dies, dass dort nur 1-Zimmer-Wohnungen (Studios) untergebracht werden dürfen.

Vor dem Erstbezug fand ein Eröffnungsanlass statt. Zu diesem Zeitpunkt waren schon so gut wie alle Wohnungen vergeben. Was für den Standort spricht – und die Notwendigkeit dieses günstigen Wohnraums für Studierende. Es spricht aber auch für die Qualität des Baus. Im Rahmen des «Architekturpreis Kanton Zürich 2022» wurde er entsprechend ausgezeichnet – mit einem erstmals vergebenen Publikumspreis.

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