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Stand.punkt

«Die Holzkette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied»

Andreas Burgherr ist Vorstandsmitglied von Lignum Schweiz und Mitinhaber der Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG. Das Unternehmen hat 2022 – zusammen mit 15 weiteren Holzbauingenieurbüros – den Arbeitgeberverband der Schweizer Holzbauingenieure STE-AoC (Swiss Timber Engineering Association of Construction) aus der Taufe gehoben. Wir sprachen mit Andreas Burgherr über die Gründung des Verbands, dessen Rolle innerhalb der Lignum und über den Nachwuchs in der Branche.

Interview Susanne Lieber | Foto zVg

 

Herr Burgherr, 2022 wurde der Arbeitgeberverband der Schweizer Holzbauingenieure (STE-AoC) gegründet. Was hat den Ausschlag dazu gegeben?
Den Verband STE (Swiss Timber Engineers) gibt es bereits seit 30 Jahren. Gegründet wurde dieser als Einzelmitgliederverband ehemaliger Abgänger der Fachhochschule Biel, die Holzbauingenieurwesen studiert haben. Im Laufe der Zeit wurden dann mehr und mehr Holzbauingenieurbüros gegründet. Einen eigentlichen Berufsverband gab es damals keinen. 2017 wurde deshalb im Rahmen des STE zunächst das «Forum der Holzbauingenieure» ins Leben gerufen, an dem sich Geschäftsleitungsmitglieder von Holzbauingenieurbüros einmal im Jahr zu verschiedenen Themen austauschen. Andererseits hat die Lignum ein europaweit einzigartiges Regelwerk – u.?a. zu Brandschutz, Statik und Holzbautabellen – geschaffen, von dem wir als Holzbauingenieure sehr profitieren konnten. Daher fanden wir es an der Zeit, uns der Lignum anzuschlies­sen und deren Leistungen finanziell mitzutragen.

Ihrem Verband sind dabei auch Bauingenieur­büros angeschlossen. Wieso?

Wir haben derzeit etwa 50 Holzbauingenieurbüros in der Schweiz – die meisten mit nur einem bis zwei Mitarbeitenden. Sie allein werden den derzeitigen Holzbauboom kaum stemmen können. Da braucht es auch die Bauingenieur­büros, von denen ja inzwischen immer mehr auch Holzbauabteilung haben.

In der Tat, der Holzbau boomt. Stösst die Schweizer Holzkette damit an ihre Grenzen?

Wir sind derzeit schon am oberen Limit einer verträglichen Wachstumskurve. Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen: Unsere Holzbaubranche ist alteingesessen und langsam gewachsen, wir dürfen sie jetzt nicht überfordern. Sämtliche Gewerke der Holzkette müssen in gesundem Masse mitziehen und nachrüsten können. Dabei darf niemand auf der Strecke bleiben. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen: Die Holzkette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Es nutzt nichts, wenn die Nachfrage an Holzbauten gross ist, es aber zu wenig Holz und zu wenig Betriebe gibt, die das Holz be- und verarbeiten können.

Wie sehen Sie die Rolle des Verbands STE-AoC innerhalb der Lignum?

Als Planer haben wir einen anderen Blick auf die Holzkette. Da wir nur indirekt mit Holz arbeiten, haben wir die Möglichkeit in unserem Schaffen, einen breiteren Bereich der Wertschöpfungskette einzubeziehen. Das heisst, dass wir bei Bedarf beispielsweise mit dem Förster im Wald geeignete Bäume aussuchen oder dass wir Ausschreibungen so formulieren, dass lokale Sägereien oder Zimmereien eher berücksichtigt werden können. Wir können auf allen Ebenen mithelfen, den (lokalen) Werkstoff Holz in unsere Bauwerke zu bringen.

Wie bewerten Sie die Ausbildung der Holzbauingenieure?

Die Ausbildungsqualität ist sehr hoch. Zumal die meisten Holzbauingenieure vor ihrem Studium eine Berufslehre – die meisten als Zimmermann oder Zimmerin – absolviert haben und bereits praktisches Know-how mitbringen. Wobei uns natürlich bewusst ist: Alle, die nach einer Lehre studieren, arbeiten später nicht mehr in ihrem Erstberuf und fehlen uns im Holzbau. Wir «kannibalisieren» unsere Branche quasi bis zu einem gewissen Grad selbst.

Viele Zimmerinnen und Zimmermänner wollen nicht auf Dauer in einem Betrieb körperlich anstrengend arbeiten, sie wollen aber auch nicht studieren. Wie kann man diese Mitarbeitenden trotzdem in den Unternehmen halten und verhindern, dass sie nicht in völlig andere Branchen abwandern?
Wir sind aktuell dabei, über eine Nachlehrausbildung zum Holzbauzeichner mit eidgenössischem Fachausweis nachzudenken. Mit einer solchen Zusatzausbildung könnte man im Büro des Handwerksbetriebs weiterarbeiten oder in ein Ingenieurbüro gehen. Schliesslich muss man nicht studiert haben, um mit CAD zu arbeiten. In einer solchen weiterführenden Ausbildung sehen wir eine grosse Chance, unseren Nachwuchs zu halten.          
 

Andreas Burgherr

Der gelernte Zimmermann Andreas Burgherr (*1974) hat an der Fachhochschule Biel Holzbauingenieurwesen studiert. Er ist Mitinhaber sowie Vorsitzender der Geschäftsleitung des Unternehmens Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Mitglied des SIA-Fachrats Energie, Gründungsmitglied und Präsident des
Verbands STE-AoC (Arbeitgeberverband der Schweizer Holzbauingenieure) sowie Vorstandsmitglied der Lignum Holzwirtschaft Schweiz. timbatec.com

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