3/25 Wohnen
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«Der Aspekt Materialeffizienz wird immer noch stark unterschätzt»
In NACH.GEFRAGT spüren wir bei Holzbauingenieuren und Architekten nach, wie sich der Holzbau entwickelt und mit welchen Bauprojekten sie sich beschäftigen. Dieses Mal sprechen wir mit Silvan Schweizer, Bereichsleiter Holzbau und Mitglied im Führungsteam des Ingenieurbüros B3, unter anderem über die Herausforderungen beim Bau des Holzhybridhochhauses «H1» und über sein Wunschprojekt: die Planung eines Konzertsaals.
Interview Susanne Lieber | Foto zVg
Im Holzbau hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Was sehen Sie besonders positiv an dieser Entwicklung?
Holz erlebt seit einiger Zeit eine wahre Renaissance. Seine zunehmende Beliebtheit verdankt es nicht nur der anhaltenden Diskussion über Nachhaltigkeit, sondern auch dem technologischen Fortschritt, der es ermöglicht, immer komplexere und zugleich ästhetisch ansprechendere Bauwerke zu realisieren. Die Strahlkraft erfolgreicher Holzbauprojekte nimmt stetig zu – und mit ihr wächst konsequenterweise auch die Nachfrage nach dem Bauen mit Holz.
Welches sind Ihre persönlichen Leuchtturmprojekte – schweizweit oder international betrachtet?
Mein aktuelles Projekt mit wegweisendem Charakter ist das Holzhybridhochhaus H1 in Regensdorf bei Zürich. Mehrere Aspekte machen dieses Vorhaben besonders: Zum einen ist es die Realisierung der Tragkonstruktion in Buchen-Stabschichtholz, zum anderen sind es die effiziente Vorfertigung und die konzeptionellen Überlegungen zur Robustheit. Etwas kleiner, aber nicht weniger spannend ist der «Doppeldecker» in Frauenfeld – zwei übereinandergestapelte Turnhallen, die mich bereits seit meinem Praktikum als Holzbauingenieur begleiten. Der Boden der oberen Turnhalle stellt aufgrund der Nutzung besondere Anforderungen an das Schwingungsverhalten. Die grosse Spannweite in Kombination mit synchronisierten, gruppendynamischen Aktivitäten stellte uns vor eine herausfordernde Aufgabe. Die Lösung erfolgte durch gezielte dynamische Simulationen sowie den Abgleich mit Schwingungsmessungen, basierend auf den Erkenntnissen meiner Bachelorarbeit.
Wo sehen Sie im Holzbau noch Entwicklungspotenzial – planerisch, konstruktiv oder fertigungstechnisch?
Grosses Potenzial sehe ich im nachhaltigen Umgang mit vorhandenen Baumaterialien und den verfügbaren Planungskapazitäten. So liesse sich beispielsweise aus dem Bauholz, das üblicherweise für ein Chalet verwendet wird, auch ein Mehrfamilienhaus errichten. In beiden Fällen binden wir pro Kubikmeter Holz rund eine Tonne CO2 – und leisten damit einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Der Aspekt der Materialeffizienz wird in Planung und Realisierung jedoch noch immer stark unterschätzt. Ähnliches gilt für die Planungsprozesse im Holzbau: Zwar haben grosse Unternehmen inzwischen eigene Standards etabliert, dennoch sind wir von einer echten Standardisierung weit entfernt. Viel zu oft betreiben wir einen enormen Aufwand, um das Rad neu zu erfinden.
Was für einen Holzbau würden Sie gerne einmal planen und warum?
Als ambitionierter Hobbymusiker ist es mein Traum, eines Tages bei der Planung und Realisierung von einem Konzertsaal mitzuwirken. Gebäude wie das schweizweit bekannte Kultur- und Kongresszentrum KKL in Luzern, die Elbphilharmonie in Hamburg oder La Seine Musicale in Paris faszinieren mich in vielerlei Hinsicht – sei es aufgrund ihrer architektonischen und statischen Raffinessen, ihrer akustischen Exzellenz oder der Art und Weise, wie sie Raum für emotionale Erlebnisse schaffen.
Was war die besondere Herausforderung beim Bau des Holzhybridhochhauses H1 in Regensdorf (S. 6)?
Beim Holzhybridhochhaus H1 stellte die Einschätzung des unterschiedlichen Setzungsverhaltens der beiden Baustoffe Beton (Kern) und Holz eine Herausforderung dar. Auch der Beschaffungsprozess des Materials war herausfordernd. Das Material inklusive des Preises wurde bereits in einer frühen Phase definiert. Infolge der Preisentwicklung während der Corona-Pandemie stand die Stabbuche einige Male auf der Kippe und es mussten materialtechnische und fertigungsspezifische Optimierungen gesucht werden. Rückblickend war die Wahl der Stabbuche eine gewagte, aber auch essenzielle Entscheidung, die massgeblich zum Erfolg beigetragen hat.
Silvan Schweizer
Der gebürtige Toggenburger ist gelernter Zimmermann. Nach seiner Lehre schloss er ein Studium zum Holzbauingenieur BSc an der Berner Fachhochschule in Biel ab. 2023 begann er die Weiterbildung zum Master of Science in Engineering mit der Vertiefung Civil Engineering an der FHNW in Muttenz (BL). Bereits während seines Praktikums 2018/19 arbeitete er an Projekten, die sich durch aussergewöhnliche Fragestellungen auszeichneten – und der Projekterfolg ist Antrieb für künftige spannende Herausforderungen. b-3.ch