3/23 Mittendrin
Stand.punkt
«Bäume müssen im Mischwald stehen»
Der Schweizer Wald steht aufgrund des Klimawandels vor grossen Herausforderungen. Wir sprachen mit Kaspar Reutimann, Vorstandsmitglied von Lignum Schweiz sowie von Wald Schweiz, über die Zukunft des Waldes.
Text Susanne Lieber | Foto zVg
Rund ein Drittel der Schweiz – also etwa 1,3 Millionen Hektaren – ist mit Wald bedeckt. Wie steht es um ihn?
Trotz der letzten Sturm- und Käferjahren eigentlich recht gut. Es hat ihm gutgetan, dass es im Frühling viel geregnet hat und es anhin nur kurze Zeit so extrem heiss war. Durch die Vorjahre wurde er zwar dezimiert, aber wir haben die Hoffnung, dass er sich jetzt mit dem Jungwald in den nächsten 15 bis 20 Jahren erholt.
Die drei häufigsten Baumarten in der Schweiz sind Fichte (Rottanne), Buche und Weisstanne. Sie werden aufgrund der Klimaveränderung langfristig ersetzt werden müssen. Durch welche Baumarten genau?
Hier muss man differenzieren zwischen Mittellandwald und Gebirgswald. Ich spreche jetzt mal für den Mittellandwald, den wir nutzen: Hier hoffen wir, dass uns die Weisstanne erhalten bleibt. Sie hat ein tieferes Wurzelwerk im Vergleich zur Fichte, einem Flachwurzler. Dann setzen wir auch grosse Hoffnung in die Eiche. Sie wächst zwar langsam und braucht mehr Licht, weshalb sie nicht so dicht wie die Fichte stehen kann. Dafür bildet sie tiefe Pfahlwurzeln, was für eine bessere Standfestigkeit bei Stürmen und eine bessere Wasseraufnahme sorgt. Die Produktion dieses Holzes wird zwar länger dauern und der Ertrag wird geringer sein, dafür handelt es sich hier aber um hochwertigeres Holz. Wir haben auch angefangen, Edelkastanien zu setzen. Ihr Holz ist hart und witterungsbeständig, weshalb es sich gut für Aussenanwendungen wie Fassadenverkleidungen eignet. Die dritte Art, in die wir grosse Hoffnung setzen, ist die Douglasie (Nadelbaum aus Nordamerika), die tief wurzelt und Hitze, Trockenheit und Sturm gut übersteht. Sie wächst schnell und produziert ein sehr gutes, witterungsbeständiges Holz. Allerdings ist dieses etwas schwieriger zu bearbeiten. Was ich grundsätzlich sehr wichtig finde für die Zukunft: Wir dürfen keine Monokulturen pflanzen – die Bäume müssen in einem Mischwald stehen. Monokulturen sind anfälliger für Stürme sowie für Schädlinge wie Käfer und Pilze. Ein wichtiger Aspekt bei Pflanzungen mit Weisstanne, Eiche, Douglasie und Kastanie ist übrigens auch, dass das Wild gerne deren Jungpflanzen frisst. Das heisst, wir müssen junge Bäume schützen, damit sie überhaupt hochkommen können. Dies bedeutet natürlich einen entsprechend höheren Aufwand für Waldbesitzer, aber ohne Schutzmassnahmen wird es nicht gehen.
Ist es richtig, dass die Waldfläche in der Schweiz zunimmt – jährlich um rund 40 Quadratkilometer? Wie kommt das?
Auch hier muss unterschieden werden zwischen Gebirgswald und Mittellandwald. Im Mittelland nimmt die Waldfläche weder zu noch ab. Die Fläche ist in ihrem Umfang geschützt. Wird an einem Ort beispielsweise gerodet, muss an einer anderen Stelle etwas neu gepflanzt werden. Wo die Waldfläche aber zunimmt, ist im Gebirge und im Tessin. Der Grund ist, dass viele Bauern gewisse Alpenweiden nicht mehr bewirtschaften und pflegen. Die Flächen verbuschen, und nach fünf bis zehn Jahren wachsen dann Bäume. Pioniergewächse sind hier beispielsweise der Haselnussstrauch und die Birke.
Muss sich die Schweizer Holzbaubranche um Ressourcennachschub sorgen?
Bislang war die Fichte der Brotbaum der Holzwirtschaft – weil sie schnell wächst und gut zu verarbeiten ist. Aber sie ist jetzt unter Druck geraten durch den Borkenkäfer. Im Mittelland ist der Fichtenbestand um 10 bis 20 Prozent zurückgegangen. Ich glauben sogar, dass die Fichte aufgrund des Klimawandels in 30 bis 50 Jahren im Mittelland verschwunden ist. Das heisst aber nicht, dass die Holzwirtschaft keine Bäume mehr bekommt. Sie muss sich einfach anders orientieren und sich auch in technischer Hinsicht neu erfinden. Es müssen künftig schwieriger zu bearbeitende Holzarten wie Douglasie und Weisstanne im Holzbau zum Einsatz kommen. Das bedingt jedoch eine Anpassung der Sägereien und der Branche. Im Jura gibt es beispielsweise ein Werk, in dem aus Eiche, Esche und Buche Leimbinder, also hochwertige Balken, gemacht werden. Das ist vielleicht ein Ansatz, die Fichten im Holzbau zu ersetzen.
Wie viel Holz wird jährlich in der Schweiz geerntet? Und wozu wird es verwendet?
Nach der aktuellsten Studie (von 2021) werden fünf Millionen Kubikmeter Holz aus dem Schweizer Wald genutzt. Davon gehen 2,5 Millionen Kubikmeter als Nutzholz in die Sägereien und in die Bauwirtschaft. Zwei Millionen Kubikmeter werden als Energieholz für Hackschnitzel, Pellets usw. genutzt. Und 0,5 Millionen Kubikmeter werden als Industrieholz zu Spanplatten und anderem verarbeitet.
Kaspar Reutimann
Der diplomierte Landwirt und Winzer (*1957) ist u. a. Mitgründer des Waldlabors Zürich-Hönggerberg und aktuell Vorstandsmitglied von Wald Schweiz, dem Verband der Schweizer Waldeigentümer. Sein Privatwald umfasst 4,5 Hektaren. waldschweiz.ch