02/2015 Bewahren und erneuern
Stil.Form
Zusammen reden, zusammen bauen
Mit Teamwork lassen sich auch anspruchsvolle Objekte realisieren. So etwa ein eigenwilliges Einfamilienhaus in Schüpfheim (LU). Hinter ihm stehen ein Architekt, zwei Holzbaufirmen und eine Bauherrschaft, die auf einheimisches Holz setzte.
Vor dem Ersten Weltkrieg war das Entlebuch vor allem für seine Hunde bekannt. Die «Küherhündli» sorgten dafür, dass Kuh- und Schafherden beisammen blieben. Hundert Jahre später summen im Mittelland die elektrischen Viehzäune. Die Entlebucher Sennenhunde behüten heute öfter Kinder als Herden. Geblieben ist die betörende Landschaft, welche dem Tal der Kleinen Emme vor knapp 15 Jahren zum Titel der ersten Unesco-Biosphäre verhalf. So spektakulär gerahmt wie im 2014 erbauten Einfamilienhaus in Schüpfheim sieht man die sanften Entlebucher Hügel aber selten. Fünf Meter breit und eineinhalb Meter hoch ist das Panoramafenster im Wohnzimmer. Auch die Fassadengestaltung ist ungewöhnlich. Inmitten eines heterogenen Einfamilienhausquartiers setzt das Gebäude ein starkes Zeichen für den Holzbau.
«Es ist eindrücklich, was man mit unserem Werkstoff alles bauen kann», meint der Holzbauer Andreas Bieri aus Flühli (LU). Gemeinsam mit Unit Architekten (Sempach) hat er vor dem neuen Objekt bereits andere Holzbauten realisiert. Die langjährige Partnerschaft machte die Zusammenarbeit für Holzbauer und Architekten einfach. «Wir verstehen unsere Sprache gegenseitig», sagt Bieri, «und wir konnten bereits in der Planungsphase viele Wünsche anbringen.» Die gemeinsame Abstimmung mit Architekt, Lüftungstechniker und Sanitärfachmann ermöglichte zum Beispiel eine effiziente Planung von Hohlräumen und Wänden für Installationen. Gerade für die integrierte Lüftung sei diese Art der Zusammenarbeit ein Segen, meint Bieri: «Man kann nicht einfach mit der grossen Bohrmaschine kommen, um die Kanäle zu verlegen.»
Ausgelagertes Fachwerk
Der Bau des Einfamilienhauses stellte für Andreas Bieris erst zehnjähriges Unternehmen eine Herausforderung dar: «Die Umsetzung war ebenso interessant wie anspruchsvoll, zumal unsere Firma klein ist. Wir sind lediglich zu sechst, zeitweise war die ganze Belegschaft inklusive unseres Lernenden auf der Baustelle.» Erleichtert wurde die Arbeit durch einen alten Kontakt: Die Berechnung und die Herstellung der Fachwerkkonstruktion für das Obergeschoss wurden an die Neue Holzbau AG (n’H) in Lungern ausgelagert. Während der Planungsphase war dort Bieris ehemaliger Lehrling als Holzbauingenieur und Ansprechsperson tätig. «So hatten wir einen guten, unkomplizierten Kontakt», erzählt Bieri. Wenn man sich gegenseitig kenne und die Details rasch per Telefon oder E-Mail regeln könne, werde das Bauen einiges einfacher.
Das gut 19 Meter lange und zweieinhalb Meter hohe Fachwerk ist komplett aus einheimischem Fichten-Brettschichtholz aufgebaut. Aufgrund der Planvorgaben von Andreas Bieri nahm n’H die statischen Berechnungen vor und entwickelte die Konstruktion. Das Fachwerk besteht aus einem Ober- und einem Untergurt, die mit Vertikal- und Diagonalstäben GL28K mittels GSA-Technologie miteinander verbunden sind. Fachwerkbinder, Bodenplatten und Stahlteile wurden gleichsam als Bausatz auf der Baustelle angeliefert. Für n’H ist die Tätigkeit als Subunternehmer nicht aussergewöhnlich. «Damit die Zusammenarbeit in solchen Holzbauprojekten klappt, braucht es eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Zudem achten wir auf montagefreundliche Bauteile und die richtige Anlieferung der nummerierten Bauteile für den Holzbauer», sagt Andreas Windisch, Leiter Verkauf bei n’H.
Durchdachtes Konzept
Das lange und schmale Gebäude steht auf der nördlichen Parzellengrenze. So konnten die Aussenraumfläche und die Besonnung aus Südwestrichtung maximiert werden. Die Südfassade wird lediglich durch den Balkonaustritt geöffnet. Der Verzicht auf seitliche Fenster verleiht den zwei grossen Panoramafenstern zusätzliche Wirkung und verstärkt die Orientierung. Die Fassadengestaltung verhindert unerwünschte Blickbeziehungen, zum Beispiel zum Elternschlafzimmer. Die seitliche Geschlossenheit dient zudem der Statik.
Die Bauherrschaft legte grosses Gewicht auf unterteilbare Räume, Ausbaumöglichkeiten im Untergeschoss und einen grosszügigen Garten – «mit Platz für zwei Kinder, Hund und Trampolin», wie die Vorgabe lautete. Das Raumprogramm wurde bewusst einfach gehalten: Viereinhalb Zimmer, ein Duschzimmer und WC, kein separates Büro, sondern eine Arbeitsnische.
Auf Anregung der Architekten wurden diese Wünsche mit fliessenden Grundrissen umgesetzt. Die Räume sind nur mit Schiebetüren abgetrennt. Die Geschosse werden durch den einheitlichen Boden als fliessender Raum wahrgenommen. «Offenheit ist bei diesem Gebäude ein wichtiges Prinzip. Das zeigt sich im Verhältnis von Innen- und Aussenraum ebenso wie beim Innenausbau», erläutert Guido Stalder, Geschäftsleiter bei Unit Architekten.
Gestapelte Kuben
Das Gebäude ist aus drei gestapelten, zueinander versetzten Kuben aufgebaut. Jedes Geschoss wurde in einer anderen Bauweise ausgeführt. Diese Vielfalt spiegelt das Zusammenspiel von statischen, gestalterischen und bauphysikalischen Ansprüchen. Das massive Sockelgeschoss ist als Wanne aus Ortbeton ausgebildet. Es besitzt eine auskragende Platte für den seitlichen Balkon und gewährleistet die Trockenheit des Holzbaus. Weitere statische Massnahmen waren trotz Hanglage nicht nötig. Das Erdgeschoss ist als Holzständerkonstruktion ausgeführt, welche über die Wandelemente ausgesteift wird. Es trägt das Obergeschoss. Dessen Wand ist als Raumtragwerk ausgebildet und nimmt die Lasten der zwei Auskragungen auf. Diese entstehen durch das Versetzen der Raumkuben und schaffen den Witterungsschutz für den Sitzplatz und den Carport.
Während der Holzanteil moderner Hybridbauten zuweilen schlecht ablesbar ist, geizt das Objekt in Schüpfheim nicht mit Holz. Neben der hinterlüfteten Fassade aus druckimprägnierter Fichte zeigen dies auch die grosszügigen Wandflächen aus sägerohen Tannenbrettern sowie die Geschossdecken aus Brettschichtholz. Mit Ausnahme des Parketts stammt alles Holz aus der Schweiz. Das Holz für die Ständerkonstruktion bezog Andreas Bieri aus der Sägerei von Ruedi Felder in Sörenberg (LU). Holz aus dem Entlebuch für ein Haus im Entlebuch – was früher normal war, aber durch die Globalisierung der Bauwirtschaft nicht mehr selbstverständlich ist, erhält so eine neue Aktualität. «Hier schauen wir noch aufeinander», meint Andreas Bieri. Von Scheunenanbauten über Satteldächer bis zu ganzen Häusern bietet seine Firma alle Holzbauleistungen an. «Dieses Haus war für uns das ‹Tüpfli› auf dem i. Wir wurden und werden sehr oft auf dieses Projekt angesprochen.» Nicht alle Entlebucher seien jedoch mit den Möglichkeiten des modernen Holzbaus vertraut. «Wir zeigen, was heute möglich ist», sagt Andreas Bieri. Insgesamt sei das fertige Haus «sehr ä gfröiti Sach».
Das Projekt – die Fakten
Das 4,5-Zimmer-Einfamilienhaus wurde auf Minergie-Niveau gebaut. Das Untergeschoss wurde als massive Betonwanne ausgebildet. Das Erdgeschoss ist ein Holzständerbau, das Obergeschoss ein tragendes Raumfachwerk. Für die Heizwärmeversorgung dient eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Aussensplitgerät.
Bauherrschaft: privat
Architektur: Unit Architekten, Sempach/Hergiswil/Zürich
Holzbau (Lead): Andreas Bieri, Flühli (LU)
Holzbau (Fachwerk): Neue Holzbau AG, Lungern (OW)
Baumeisterarbeiten: Stalder Erwin Baugeschäft AG, Schüpfheim (LU)
Heizung-Lüftung-Klima-Sanitär: Toni Müller Haustechnik AG, Entlebuch