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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

2/2023 Ansichten

BAU.WERK

Wo das Blau im Walde lockt

Zwischen Frutigen und Kandersteg sind drei kleine Refugien aus Holz entstanden – Erweiterungsbauten eines Hotels, mitten im Wald. Hier lockt nicht nur die Nähe zum Baumgrün, sondern auch der Blick auf eisiges Blau.

Text Susanne Lieber | Fotos Andrea Diglas und Hildebrand Studios | Pläne Hildebrand Studios

Als vor 15 000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, vom Fisistock im Berner Oberland grosse Felsbrocken in das heutige Kandertal abgingen, entstand einer der bekanntesten Bergseen der Schweiz: der Blausee. Sein Name ist Programm – die Farbe des kristallklaren Wassers ist ungewöhnlich intensiv. Bereits der deutsche Verleger Karl Baedeker (1801–1859), bekannt geworden durch seine Reiseführer, hat in einem Buch über die Schweiz die tiefblaue Farbe kommentiert. Einer Sage nach hat das kräftige Blau allerdings einen tragischen Hintergrund: Eine junge Frau soll in Trauer um ihren verunglückten Geliebten im See ihr Leben gelassen haben. Seitdem würde der See die Farbe ihrer Augen widerspiegeln.

Rückzugsort für Naturgeniesser
Die idyllische Lage des Gewässers, das sich aus einer unterirdischen Quelle speist, lockte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Touristen an. Im Jahr 1878 wurde dann am Ufer des kleinen Sees ein Hotel mit Restaurant im Jugendstil eröffnet. Seitdem ist der See inmitten des zwanzig Hektar grossen Naturparks Blausee nicht nur für Wanderer und Tagesausflügler ein Magnet, sondern auch für naturverbundene Übernachtungsgäste. Und diese dürfen sich jetzt über drei neue Unterkünfte freuen: Das Hotel wurde im letzten Jahr erweitert – quasi in den Wald hinein.

Zwischen Bäumen und mit Moos überwachsenen Felsen entstanden drei kleine Holzbauten für jeweils zwei Personen. Die Gebäude stehen als kleine Gruppe beieinander, allerdings so ausgerichtet, dass sie sich gegenseitig keine Einblicke gewähren. Auch dort, wo der öffentliche Wanderweg unmittelbar vorbeiführt, wurde auf die Wahrung der Privatsphäre geachtet. «Entweder das Gebäude schwebt einige Meter oberhalb des Weges, oder die entsprechende Fassadenseite ist fensterlos», erklärt Stefan Amann, Projektleiter im Architekturbüro Hildebrand Studios. «Die Gäste selbst haben zwar wunderbare Ausblicke, wohnen aber trotzdem sehr privat.» Eine enge Verbindung zwischen Mensch und Natur zu schaffen, war denn auch der Leitgedanke, der diesen Entwurf prägt.

Jedem der drei Häuser wurde ein anderer Name gegeben, der sich auf die Besonderheiten des jeweiligen Standorts bezieht. Da gibt es zum einen das Mooshaus, gebaut zwischen zwei Felsen, die mit entsprechender Grünschicht überwuchert sind. Das Steinhaus hingegen thront etwas höher auf einem Felsen und kragt dabei über einen kleinen Abhang hinaus. Und das Waldhaus ist besonders dicht an den Bäumen dran.


Per Helikopter über die Baumwipfel

Die Bebauung der Waldparzelle war nicht leicht. Bauherrschaft und Architekturbüro wollten die Natur möglichst wenig tangieren, was beim Entwerfen eine besondere Herangehensweise erforderte. «Wir haben zunächst die Position jedes einzelnen Baumes erfasst, dann wurden die drei Häuser entsprechend dazwischengesetzt», rekapituliert der verantwortliche Architekt. «Kein grösserer Baum wurde für das Bauprojekt gefällt, lediglich ein paar kleinere Sträucher mussten weichen.»

Um alle Bauteile an Ort und Stelle zu bringen, wurde ein Helikopter eingesetzt. Eine Zugangsmöglichkeit für einen LKW gab es nicht. Und so schwebten die einzelnen Elemente erst vom Himmel und wurden dann zwischen all den Bäumen montiert. Darunter auch die vorgefertigten Holzbauelemente von der Allenbach Holzbau und Solartechnik AG. Das Unternehmen aus Frutigen (BE) befindet sich nur knapp zehn Kilometer entfernt. Keine Ausnahme unter den beteiligten Handwerksbetrieben: Allesamt stammten sie aus der unmittelbaren Umgebung.

Es war übrigens nicht die erste Zusammen­arbeit zwischen der Bauherrschaft und dem Architekturbüro aus Zürich. Bereits 2017 entstand am Blausee gemeinsam ein Holzbau: das «Wasserhaus», ein mit Schindeln bedeckter Pavillon, der als Unterstand und Veranstaltungsort dient. Schon damals war den Beteiligten wichtig, dass Handwerk und Baumaterial in der Region verwurzelt sind.


Schwebende Holzkonstruktion
Um beim Bau der drei neuen Gebäude eine Versiegelung des Waldbodens zu vermeiden, wurden diese schwebend konstruiert. Jedes Haus steht auf sechs filigranen Stahlstützen, die zusammen mit entsprechenden Trägern einen Stahlrahmen bilden. Darauf sitzt die Holzkonstruktion mit Boden, Decke, Wänden und Dach. Abhängig von der Topografie und der Beschaffenheit des Waldbodens wurden die Stahlstützen entweder mit Punktfundamenten im Erdreich verankert oder direkt in den Felsen geschraubt.

Beim Tragwerk der Häuser handelt es sich um einen klassischen Holzständerbau in Fichte, der mit Glaswolle gedämmt ist. Die aussenseitige Beplankung besteht aus Holzfaserplatten (Multitherm), die Fassadenverkleidung ebenfalls aus lokal geschlagener Fichte, um kurze Transportwege zu garantieren. Als Witterungsschutz wurde die Fassade mit schwarzer Pigmentfarbe gestrichen, wodurch das Holz nicht versiegelt ist, sondern offenporig bleibt. Anfangs stand zwar noch zur Debatte, der Witterung mit einer oberflächlichen Verkohlung des Holzes (Yakisugi) entgegenzuwirken, allerdings wurde aus Kostengründen davon abgesehen. Dafür macht jetzt die Gebäudehülle einen farblich homogenen Gesamteindruck – inklusive Fenster und Sparren, was beim Verkohlen kaum möglich gewesen wäre.

Luxus trifft auf Natur
Flächenmässig sind alle drei Häuser gleich gross bemessen, dreissig Quadratmeter, um genau zu sein. Lediglich in den Proportionen unterscheiden sie sich ein wenig. Das Raumprogramm ist ebenfalls identisch und umfasst ein Wohn- und Schlafbereich für zwei Personen: mit Boxspringbett, Einbauschränken, Schreibtisch, Sofa, Schwedenofen, Minibar, Tee­küche und einem offen gestalteten Bad. Kulinarisch verwöhnen lassen können sich die Waldhausgäste im Hauptgebäude, so wie alle anderen Hotelgäste auch.
 
Beim Innenausbau legten Bauherrschaft und Architekten ebenfalls grossen Wert auf regionale Materialien. So kam im Badbereich Mitholzer Kieselkalk zum Einsatz, der in unmittelbarer Nähe gewonnen wird. Das Gestein stammt genau aus jenen Fels­abbrüchen, die in der letzten Eiszeit zu Tal gestürzt sind. Zum dunklen graublauen Kalkstein wurde an Wänden und Decke Fichtenholz kombiniert. Die Einbaumöbel sind aus Eiche, genauso die Dielen auf dem Boden, der mit Fussbodenheizung ausgestattet ist. Der wahre Luxus dieser Hotelzimmer liegt allerdings weder in der Fussbodenheizung begründet, noch in der kulinarischen Versorgung auf Spitzenniveau (Das Hotelrestaurant glänzt mit 13 Gault-Millau-Punkten) – der wahre Luxus dieser Hotelzimmer ist die Einbettung in die Natur.
hildebrand.ch, solarholzbauer.ch           

VERLOSUNG: Eine Übernachtung für zwei Personen

Wir verlosen eine Übernachtung in einem der drei neuen Holzbauten (Waldhäuser) vom Hotel Blausee im Berner Oberland. Nur wenige Meter vom bekannten Blausee entfernt, bieten die kleinen Refugien ein luxuriöses Übernachtungserlebnis inmitten der Natur.
blausee.ch

Und so nehmen Sie an der Verlosung teil:
Schreiben Sie einfach ein Mail an: redaktion@holzbau-schweiz.ch
(Betreff: Verlosung / Übernachtung Blausee), Einsendeschluss ist der 4. Juni 2023.

Die Verlosung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Die Gewinner werden persönlich benachrichtigt.

Das Projekt – die Fakten

Objekt: 3 Waldhäuser (Hotel Blausee)
Standort: Blausee-Mitholz (BE)
Bauherrschaft: Blausee AG
Fertigstellung: 2022
Gesamtfläche (SIA 416): 120 m2
Architektur: Hildebrand Studios, Zürich (Projektleitung: Sarah Lechner, Stefan Amann)
Innenarchitektur: Ruth Kramer, Vals
Holzbauingenieur: Walt Galmarini AG, Zürich
Holzbau: Allenbach Holzbau und Solartechnik AG, Frutigen (BE)
Holzkonstruktion: gedämmter Holzständerbau aus lokalem Fichtenholz
Besonderheiten: schwebend gebaut auf Stahlstützen


Stefan Amann, Hildebrand Studios

Architekt Stefan Amann (*1990) hat an der Universität Liechtenstein in Vaduz studiert und ist seit 2018 im Zürcher Büro Hildebrand Studios tätig, das 1999 von Thomas Hildebrand gegründet wurde. Das Portfolio des 18-köpfigen interdisziplinär arbeitenden Teams umfasst öffentliche sowie private Bauten, Umbauten und Städtebau. Stefan Amann ist seit 2023 Partner des Büros. hildebrand.ch

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