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1/2023 Zusammen stark

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«Wenn es im Holzbau vorangehen soll, müssen wir uns um den Brandschutz kümmern»

Die Entwicklung des Schweizer Holzbaus ist eng mit der Entwicklung der Brandschutzvorschriften verknüpft. Ein Gespräch mit Reinhard Wiederkehr, Holzbauingenieur und Vizepräsident der Lignum, – und einer, der zu den wichtigsten Brandschutzexperten des Landes zählt.

Text Susanne Lieber | Foto zVg


Herr Wiederkehr, Sie sind schon sehr lange für die Lignum tätig. Wie lange genau?
Schon seit gut 30 Jahren. Mein erster Kontakt entstand bereits während meines Holzbauingenieur-Studiums in Biel. Ich habe damals ein Praktikum bei Lignum gemacht, das war 1990–1991. Zu jenem Zeitpunkt wurde vom Bund ein Programm zur Förderung von Holz erarbeitet («Impulsprogramm Holz»), das fast schon abgeschlossen war. Der Bund wollte damit Grundlagen schaffen, um im Holzbau grossvolumiger und mehrgeschossiger bauen zu können. Bei der Erarbeitung zeigte sich allerdings, dass am Anfang des Programms gewisse Schwerpunkte falsch gesetzt wurden und deshalb vieles am mangelnden Wissen bezüglich Brandschutz und an den Brandschutzvorschriften scheiterte.

Welche Rolle spielten Sie dabei?

Die Lignum hatte dann die Idee, kostengünstig einen Praktikanten einzustellen, der sich eingehend mit dem Thema Brandschutz im Holzbau und den Auswirkungen beschäftigte. In diesem Rahmen befasste ich mich intensiv mit Brandschäden sowie Statistiken und konnte bei verschiedenen Behörden und Gebäudeversicherungen reinschauen. Dadurch habe ich auf vielen Ebenen wichtige Hintergrundinformationen sammeln können.

Hat Ihr Beitrag damals etwas bewirken können?

Über das Thema Brandschutz hatte ich dann auch meine Diplomarbeit geschrieben. Darin habe ich klar zum Ausdruck gebracht, wo ich die Probleme beim Thema Brandschutz sehe. Und ich habe gefordert, dass mehr in die Ausbildung sowie in die Forschung und Entwicklung investiert werde. Als der damalige Direk­tor der Lignum meine Arbeit gelesen hatte, meinte er, so deutlich hätte ihm noch keiner den Spiegel vorgehalten. Das fand er super. Die Probleme so klar zu benennen, hatte sich vorher niemand getraut. Meine Diplomarbeit diente dann sogar als Basis, um seitens der Holzwirtschaft auf eine Vernehmlassung Antwort zu geben – die Schweizer Brandschutzvorschriften waren zu diesem Zeitpunkt gerade in einem Revisionsprozess. Das war also der Startschuss, zu sagen: Wenn es im Holzbau vorangehen soll, müssen wir uns um den Brandschutz kümmern. Das waren meine Anfänge bei der Lignum.

Besonders die aktuellen Brandschutzvorschriften (2015 in Kraft getreten) haben den Holzbau einen entscheidenden Schritt nach vorne gebracht. Blicken wir noch einmal kurz zurück.

Damals wurde entschieden, dass jedes Haus in der Schweiz bis zur Hochhausgrenze (30?m Gebäudehöhe) aus Holz gebaut werden darf. Und das war eine wichtige Botschaft an die Architekten und Bauherrn. Wirklich profitiert hat die Holzbaubranche aber vor allem durch weitere Brandschutzvereinfachungen bei zweigeschossigen Bauten wie Kindergärten, Gewerbe-, Schul- und Bürogebäuden. Das sind die Bereiche, in der auch die meisten Holzbauunternehmen tätig sind.

Die letzte Revision der Brandschutzvorschriften liegt acht Jahre zurück. Sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Natürlich, so ein Vorschriftenwerk braucht Zeit, sich zu entwickeln. In der jetzigen Vorschriftengeneration gibt es Sachen – beispielsweise in Bezug auf Hochhäuser –, die nicht ganz logisch oder einfach noch zu kompliziert sind. Deshalb sind die Holzhochhäuser, die jetzt entstehen, noch relativ aufwändig zu bauen. Aber dafür trennt sich auch die Spreu vom Weizen: Nur wer wirklich ein Holzhochhaus bauen will, nimmt den Aufwand entsprechend in Kauf.

Wann rechnen Sie mit der nächsten Revision der Brandschutzvorschriften? Und was wird sich vermutlich ändern?

Die nächste Revision wird voraussichtlich 2026 kommen. Das grösste Optimierungspotenzial sehe ich im Bereich Altersheime und Spitäler. Die Vorschriften in diesem Bereich sind heute noch recht kompliziert formuliert. Aus Brandschutzsicht sind Spitäler besonders anspruchsvoll, da dort das höchste Sicherheitsniveau in Bezug auf den Personenschutz herrscht.

Reinhard Wiederkehr

Aufgewachsen in Beinwil am See (AG), absolvierte Reinhard Wiederkehr zunächst eine Zimmermannslehre. Danach studierte er in Biel und erlangte das Diplom als Holz­inge­nieur HTL Fachrichtung Holzbau. Zusätzlich machte er seinen Abschluss als Zimmermeister. 1992 gründete er zusammen mit Peter Makiol das Holzbau-Ingenieurbüro Makiol Wiederkehr AG in Beinwil am See. Seit über 30 Jahren gilt Reinhard Wiederkehr als ausgewiesener Experte im Bereich Holzbau und Brandschutz. 2015 erhielt er die Auszeichnung Cadre d’or HolzBau.
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