3/2022 Zeitgemäss
BAU.WERK
Modernes Dorfleben
Was für manchen Städter ein (Wohn-)Albtraum wäre, bedeutet für Architekt Christof Lippuner Bryce und seine Familie das ganz grosse Glück: Leben auf dem Dorf. In Grabs, St. Gallen, haben sie sich den Traum vom Einfamilienhaus erfüllt.
Text Susanne Lieber | Fotos Christof Lippuner Bryce, Raffael Baumann | Pläne Christof Lippuner Bryce
Gerade mal 7200 Einwohner hat Grabs im Kanton St. Gallen. Im Rheintal gelegen, mit Blick auf Voralpen und bewaldete Landschaft, ist die Gemeinde aber flächentechnisch ziemlich gross. Auch die Höhenspanne ist beachtlich: Sie liegt zwischen 443 und 2385 über Meereshöhe.
«Hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht», erklärt Architekt Christof Lippuner Bryce. Grabs bedeutet für ihn Heimat. Im besten Sinne. Nach seinem Studium in Zürich zog es ihn denn auch bald wieder zurück zu den Wurzeln. Auch deshalb, weil er im Ort mit seinen Geschwistern ein Unternehmen für Energie- und Metallbautechnik führt. Ein Familienbetrieb in dritter Generation.
Zum Ersten und zum Zweiten
Mit der Gründung einer eigenen Familie fing Christof Lippuner Bryce an, nach einem Eigenheim in Grabs zu suchen – und wurde fündig: zwischen Dorfmetzgerei und alter Molkerei, zwischen kleinem Geschenkeladen und Grabser Bach. Ein altes Gebäude in der Dorfschulstrasse, also mittendrin im dörflichen Geschehen. Drei Jahre haben der Architekt und seine Frau Barbara mit ihren Zwillingsbuben dort gewohnt. «Wir wollten anfangs bewusst nicht viel in das Haus investieren. Die Kinder waren damals noch klein. Und so konnten wir uns nach Herzenslust austoben und Schrauben eindrehen, wo wir wollten. Langfristig hatten wir aber schon den Plan, das Gebäude zu sanieren. Oder neu zu bauen», so der Architekt. Dann kam alles anders, als gedacht.
Es ergab sich die Möglichkeit, die Parzelle direkt nebenan dazuzukaufen – und der Kaufentschluss war rasch gefasst. Schliesslich lässt man sich so eine Chance nicht einfach entgehen, sofern es finanziell zu stemmen ist. Aber in diesem Fall war das glücklicherweise kein Problem. Schnell war klar, dass das baufällige und kaum mehr bewohnbare Gebäude durch einen Neubau ersetzt werden muss. Durch einen Holzbau, so der Wunsch der Bauherrschaft. Wer diesen ausführen sollte, kristallisierte sich alsbald heraus: die Alpiger Holzbau AG aus Sennwald sollte es sein. Zufrieden resümiert der Architekt: «Die Zusammenarbeit war grossartig. Alpiger hat uns von Anfang an gut betreut. Nicht nur fachlich, sondern auch auf persönlicher Ebene. Wir haben uns unheimlich wohl gefühlt.» Überhaupt sei das Projekt völlig sorgenfrei verlaufen. Spass zu haben stand quasi auf dem Tagesprogramm. Ein Fazit, das so manchen Bauherrn neidisch machen dürfte. Viele Eigenheimbesitzer schlittern von Problemchen zu Problemen – nicht selten in die Katastrophe. In diesem Fall: alles anders! Auch für die Ehepartner gestaltete sich die Bauzeit völlig entspannt. «Bei vielen Paaren wird der Hausbau zur Beziehungsprobe. Bei uns hat einfach alles gepasst», gerät der Bauherr geradezu ins Schwärmen.
Holzbau und Möblierung
Was die Zusammenarbeit mit der Alpiger Holzbau AG so besonders machte, ist aber nicht nur die Tatsache, dass Bauherrschaft und Holzbauunternehmen von Beginn an auf einer Wellenlänge lagen. Auch der Leistungsumfang war speziell: Das Unternehmen lieferte sowohl das Holztragwerk in Elementbauweise als auch die eingepasste Möblierung.
Beim Neubau der fünfköpfigen Familie handelt es sich um ein Gebäude in Holzständerbauweise mit betoniertem Keller und massivem Gebäudekern. Die einzelnen Wand- und Deckenelemente aus Massivholz und Dreischichtplatten wurden ab Werk entsprechend fertig geliefert – mit allem, was dazu gehört: Dämmung, Fenster, Dachfenster und sogar einer PV-Indachanlage. Die Photovoltaikmodule sind hierbei integraler Bestandteil des Daches und bilden die wasserabführende Schicht. Ziegel brauchte es deshalb keine. «Von aussen sieht das Dach zwar simpel aus, aber es hat seitens des Holzbauunternehmens Spezialwissen gebraucht, um das alles so bauen zu können», erklärt der Architekt und ergänzt: «Dabei wurden auch die Dachfenster ins System integriert, im gleichen Rastermass wie die PV-Module.»
Das Oberlichtband lieferte die Alpiger Holzbau AG am Stück. Die Fensterlaibungen wurden hierbei konisch ausgearbeitet, um die Lichtausbeute im Innenraum zu erhöhen. Der Entscheid für unauffällige Dachfenster ist deshalb gefallen, weil Dachfenster in Grabs nicht ortstypisch sind. Diese hier sind von aussen nur schwer zwischen den PV-Modulen auszumachen.
Dach und Fassade gehen harmonisch ineinander über, was nicht zuletzt an der Farbe liegt. «Das Schwarz hat bei den Leuten tatsächlich am meisten für Gesprächsstoff gesorgt», erzählt der Bauherr amüsiert. Für ihn sei das nur ein kleines Detail, für viele aber scheine eine schwarze Fassade eine ungewöhnliche Sache zu sein.
Die hinterlüftete Holzfassade besteht aus schwarz lasierten Fichtenlatten (3 × 5 cm), die im Abstand von 1,5 Zentimetern auf eine Konterlattung genagelt wurden. Und das mit einer Präzision, die den Architekten zum Staunen brachte. «Die Handwerker waren tagelang damit beschäftigt, die Nägel exakt in gleicher Höhe anzubringen. Eine Wahnsinnsarbeit, sie haben wirklich alles gegeben.»
Heimspiel in Sachen Technik
Von aussen sieht man es dem eher schlichten Haus nicht an, aber innen ist es technisch auf dem neuesten Stand. In Sachen Gebäudetechnik, erneuerbare Energien und Metallarbeiten gab es Input von der eigenen Firma des Bauherren, der Lippuner EMT AG. Bei diesem Projekt wurde entsprechend aus dem Vollen geschöpft. So gibt es nebst PV-Anlage auf dem Dach auch eine Erdsonde, eine Wärmepumpe sowie eine Wohnraumlüftung. «Das Lüftungssystem mit dem Holzbau zu kombinieren, war dabei aber nicht ganz einfach», erklärt der Architektur und Bauherr. «In jedem Zimmer hat es Kanäle, durch die frische Luft ins Haus geblasen wird. In einem Massivbau ist es einfacher, die Installationen in Wand und Decken einzubauen. Beim Holzbau muss man die Durchlässe viel genauer und früher planen.» Aber auch das hat die Alpiger Holzbau AG perfekt gelöst.
Details aus Altholz
Die Arbeit des Holzbauunternehmens endete jedoch längst nicht beim Bau von Wänden und Decken. Möbel gehörten ebenfalls zum Rundum-sorglos-Paket. So wurde beispielsweise auch die Küche nach Bauherrenwunsch gestaltet. Die Fronten aus OSB-Platten sind schwarz lackiert. Ein gelungener Brückenschlag zur dunklen Fassade. Und ein schöner Kontrast zu den hell gestalteten Innenräumen mit sichtbaren Holzdecken (Dreischichtplatten), die zum Teil mit einer dekorativen Akustikfräsung versehen sind.
Garderobe, Treppenstufen und Einbaumöbel im Bad sind aus speziellem Holz gefertigt: aus Abbruchholz des alten Gebäudes, das zuvor an gleicher Stelle stand. Der Strickbau wurde sozusagen ausgeschlachtet, um möglichst viel Material zu retten. Schliesslich hat Altholz besonderen Charme. Und mit sieben Zentimeter dicken Brettern lässt sich Einiges machen.
Der Aufwand, das Holz aus dem alten Haus zu retten, war zwar gross, hat sich aber gelohnt. Um das kostbare Baumaterial aus dem Gebäude gezielt und schonend zu entfernen, erfolgte der Abbruch zum Grossteil manuell. Also nicht mit Maschinen, sondern mit purer Manneskraft. «So konnten wir ganz gezielt sagen, welche Holzbauteile wir noch gerne hätten», erklärt der Architekt. Unterstützung gab es hierbei von der Feuerwehr aus dem Ort. Dörflicher Zusammenhalt.
Ein Problem hat das Bauherrenpaar jetzt aber: «Es ist immer noch so viel Holz davon übrig», verrät Christof Lippuner Bryce. Was läge da also näher, als daraus noch etwas Schönes zu bauen? Fürs Nachbarhaus zum Beispiel.
Das Projekt – die Fakten
Objekt: Einfamilienhaus
Standort: Grabs (SG)
Bauherrschaft: Christof Lippuner Bryce
Fertigstellung: 2020
Grundstücksfläche: 440 m2
Wohnfläche: 213 m2
Dachfläche: 140 m2 (aktivierte PV-Fläche: 100 m2)
Gebäudevolumen (nach SIA 416): 1245 m3
Aussenräume (Terrassen und Garage): 103 m2
Architektur: Christof Lippuner Bryce, Grabs
Holzbau und Ausführungsplanung: Alpiger Holzbau AG, Sennwald (SG)
Bauleitung: Alpiger Holzbau AG, Sennwald (SG)
Holz (Fassade): Fichtenlatten (3 × 5 cm), schwarz lasiert
Holz (Decken): Dreischichtplatten (z.T. mit Akustikfräsung und UV-Schutz)
Holz (Einbauten, Möbel): Altholz aus dem abgebrochenen Gebäude
Christof Lippuner Bryce
Aufgewachsen in Grabs (SG), studierte Christof Lippuner Bryce (46) Architektur an der ETH Zürich. Nach einer Assistenzstelle am Lehrstuhl Tragkonstruktionen an der ETH Zürich und einer mehrjährigen Tätigkeit in einem Zürcher Architekturbüro folgte ein Nachdiplomstudium zum Qualitätsmanager. Seit 2008 ist Christof Lippuner Bryce Miteigentümer der Lippuner Energie und Metallbautechnik AG in Grabs sowie seit 2009 freier Projektentwickler und Geschäftsleiter der Lippuner Immobilien AG in Grabs. lippuner-emt.com, immobilien-verwaltung.ch