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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

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BAU.WERK

Luft nach oben

Wiedikon ist ein beliebter Stadtteil Zürichs und dortiger Wohnraum sehr begehrt. Auf die grosse Nachfrage wird mit Nachverdichtung geantwortet – wie eine Dachaufstockung in Holzbauweise zeigt.


Text Susanne Lieber | Fotos Hildebrand Studios und Roman Keller | Pläne Hildebrand Studios

 

 W?ie ein Adlerhorst thront der hölzerne Dachaufbau auf dem Eck­gebäude, dem innerstädtischen Treiben vertikal entrückt. Wo sich Bremgartnerstrasse und Zurlindenstrasse im Stadtteil Wiedikon kreuzen, wurde im letzten Jahr aufgestockt. Zuvor brachte es der Bestandsbau aus den 1930er Jahren nur auf vier Geschosse, nun sind es zwei Stockwerke mehr. Somit konnten durch die Nachverdichtung zusätzlich vier Maisonettewohnungen geschaffen werden – entworfen von einem Architekturbüro vor Ort: Hildebrand Studios.


Herausgeputzt

Das Bestandsgebäude mit 18 Wohnungen wurde im Zuge des baulichen Eingriffs saniert und wieder auf Vordermann gebracht. Etwas heruntergekommen wirkte das Haus von aussen, und die braune Fassade machte gar einen schmuddeligen Eindruck. Jetzt gibt sich der Bau herausgeputzt, mit freundlich hellem Erscheinungsbild. Die Grautöne der Fassadenanstriche sowie der neuen Fenster sind fein aufeinander abgestimmt und harmonieren gut mit dem Silbergrau des Alumi­niumdachs. Die neuen Geschosse sind als Mansardengeschosse ausgebildet und wurden mit einer Dachterrasse ergänzt – wie vielerorts in Zürich, mit Blick über die Stadt. Zugänglich ist der private Aussenbereich direkt von jeder Wohnung aus über einen verglasten und motorisierten Dachausstieg.

Aufgestockt und nachverdichtet
Die Zürcher Innenstadt bietet kaum mehr Freiflächen, um dem prekären Wohnungsmangel etwas entgegensetzen zu können. Bauliche Ausweichmanöver in die Höhe sind deshalb eine logische Konsequenz. Und längst sind Bestandsbauten als kostbare Flächenressource in den Fokus von Bauherren und Planerinnen gerückt. Entsprechend häufig wird mittlerweile nach oben weitergebaut. Das ideale Baummaterial dafür ist hinlänglich bekannt: Holz.


Prädestiniert ist Holz als Baustoff aus mehreren Gründen, angefangen bei seinem relativ geringen Eigengewicht. Eine statische Ertüchtigung des bestehenden Gebäudes ist deshalb meist nur in geringem Umfang nötig, wenn überhaupt. Der hohe Vorfertigungsgrad im Werk und die Präzision in der Ausführung der Bauteile tun ihr Übriges dazu, dass gerne auf den natürlichen Rohstoff zurückgegriffen wird. Vor allem aber spielt die kurze Montagezeit vor Ort eine Rolle, denn schliesslich gilt: Je schneller eine Wohnung bezugsbereit ist und vermietet werden kann, desto höher die Rendite. Für eine Bauherrschaft wie die Swiss Life, Lebensversicherungskonzern und grösste private Immobilienbesitzerin der Schweiz, sicherlich ein schlagendes Argument. Zeit ist schliesslich Geld.


Hochstapelei in Holz

Auch bei diesem Bauprojekt ging alles flott. Für die Vorfertigung der Bauelemente inklusive Brandschutzverkleidung brauchten die beauftragten Holzbauunternehmen – ein Konsortium der Hürlimann Holzbau AG aus Unterägeri (ZG) und der Zimmerei Schneider GmbH aus Schönenberg (ZH) – insgesamt nur fünf Wochen. Die Montage vor Ort ging sogar noch schneller voran: Gerade mal vier Tage dauerte es, bis alles stand. «Inklusive Montage der Stahlträger, die wir auf den Betonboden setzen mussten, um damit die Last des Holzbaus abzutragen», erklärt Elias Waltenspül, verantwortlicher Projektleiter bei der Hürlimann Holzbau AG. Beim Tragwerk handelt es sich um einen klassischen Holzständerbau. Wände und Dach sind innen mit OSB-Platten und aussen mit Weichfaserplatten beplankt. Die Decken sind als 20 Zentimeter starke Massivholzelemente in Fichte und Tanne ausgeführt.

Aufstockungen wie diese tragen erfolgreich dazu bei, dass selbst innerstädtische Wohnquartiere trotz Baugrundmangel noch wachsen können. Und sie zeigen einmal mehr auf: Der urbane Lebensraum bietet noch viel Luft nach oben.
hildebrand.ch, holzbau-huerlimann.ch, zimmerei-schneider.ch

Hildebrand Studios

Gegründet wurde das Zürcher Architekturbüro 1999 von Thomas Hildebrand. In den letzten Jahren beschäftigt sich das heute 18-köpfige Team immer häufiger mit Bau­­auf­gaben, bei denen Bestandsgebäude neu ­gedacht oder erweitert werden. Als Bau­material spielt hierbei Holz eine zunehmend wichtige Rolle. hildebrand.ch

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