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1/2023 Zusammen stark

BAU.WERK

Im Einklang mit der Historie

Es braucht Know-how und ein feines Gespür, um ein historisches Gebäude würdevoll zu sanieren. Das alte Vogthaus in Villmergen ist ein gutes Beispiel dafür.

Text Susanne Lieber | Fotos Markus Käch | Pläne Castor Huser Architekten

Stolze 230 Jahre steht es schon, das Vogthaus zur Arche in Villmergen (AG). Im Jahr 1793 errichtet, hat der historische Bohlenständerbau schon einiges erlebt. Auch zahlreiche Umbaumassnahmen. Ursprünglich wurde das stattliche Gebäude mit zwei Wohnungen konzipiert. Allerdings ist es im Laufe der Zeit im Inneren immer kleinteiliger geworden. Die baulichen Eingriffe überlagerten nach und nach das originale Raumprogramm – bis am Ende vier Wohnungen darin Platz finden mussten. Vor zwei Jahren allerdings fand das Gebäude mit angegliederter Scheune wieder zurück zu seiner Grosszügigkeit. Ein Verdienst, das einem Team aus erfahrenen Planern und Handwerkern zuzuschreiben ist, insbesondere dem Büro Castor Huser Architekten und der Vögeli Holzbau AG mit Projektleiter Toni Weiss. Begleitet wurde das Bauprojekt von der Denkmalpflege Aarau.

Vor allem diverse Umgestaltungen im Erdgeschoss hatten dem Gebäude über die Jahre zugesetzt. Die einstige Dreiteilung – in der Mitte die Küche, links und rechts flankiert von Stuben und Nebenräumen – war nicht mehr ablesbar. Lediglich Fragmente sind übriggeblieben. Entsprechend wurde das Geschoss nach historischem Vorbild rückgebaut. Die annähernd symmetrische Raumaufteilung im Obergeschoss war indes von früheren baulichen Veränderungen verschont geblieben. Dort bedurfte es keiner umfassenden baulichen Eingriffe. In den Eckzimmern befinden sich heute drei Schlafzimmer mit jeweils eigenem Bad sowie ein Arbeitsraum und ein begehbarer Kleiderschrank.


Archäologische Spurensuche und Modernisierung

Im Zuge der Rückführung zur ursprünglichen Gebäudetypologie ist das mehrgeschossige Holzhaus mit gemauertem Stock auch angemessen modernisiert worden: So integrierten die Architekten beispielsweise einen neuen Küchenblock im Erdgeschoss – exakt an derselben Stelle, wo früher schon die Kochstelle war. Damals erhob sich darüber allerdings noch eine sogenannte Rauchhurd, in der sich der Qualm seinen Weg ins Freie bahnte. Auf die Rekonstruktion einer solchen Rauchhurd wurde jedoch verzichtet und stattdessen der Raum zum Obergeschoss hin mit einer Galerie geöffnet – was im Erdgeschoss für zusätzlichen Lichteinfall sorgt. Die Optimierung der natürlichen Lichtverhältnisse war überhaupt ein grosses Anliegen, was an verschiedenen Teilen des Gebäudes ablesbar ist: Die Öffnung der Geschossdecke zur Galerie war hierbei die einschneidendste Veränderung. Des Weiteren wurden auf den Seiten des Gebäudes einige Fenster ergänzt, im Dach Glasziegel gesetzt und in den Schlafzimmern Oberlichter zum Dachboden integriert.

Auch in Bezug auf die elektrischen Installationen gab es Handlungsbedarf. Um Leitungen an den historischen Innenwänden unsichtbar führen zu können, wurden teilweise einseitige Schalungen angebracht. So blieben zumindest auf einer Seite die Jahrhunderte alten Nut-Kamm-Steckverbindungen der Bohlenwände sichtbar.


historisches Holztragwerk

Elementar war bei der Umbau- und Sanierungsarbeit vor allem die Ertüchtigung des Holztragwerks: Hierfür sind die Bohlenwände auf der Innenseite verstärkt und gedämmt worden. Im Obergeschoss hat man zudem neue Böden aus Dreischichtplatten eingezogen und die Böden im Dachgeschoss verstärkt – beides Massnahmen, um eine zusätzliche Aussteifung des Gebäudes zu erwirken. Dass hier historische und neu hinzugefügte Holzbauteile harmonisch koexistieren, zeigt sich überall. In den Bädern trifft beispielsweise «Frischholz» unmittelbar auf Altholz. An der sonnengegerbten Bohlenfassade ist neues Holz ebenfalls auszumachen, wenngleich der Farbunterschied nicht so prägnant ist. Die neuen Fenster sind hierbei in Lärche ausgeführt, das Fensterfutter in gedämpfter Fichte. Für die barocke Sprosseneinteilung orientierten sich die Architekten an einem Foto aus dem Jahr 1932.


Wo Alt und Neu zusammenfinden

Es sind mehrere Aspekte, die dieses Umbau- und Sanierungsprojekt so beachtenswert machen: Da wäre alleine schon die Tatsache, dass in der Mitte des historischen Gebäudes ein Aufzug integriert wurde. Von aussen nicht zu erahnen, verbindet der Betonschacht alle Ebenen miteinander – vom Keller- bis zum Dachgeschoss. Am Boden vor der Aufzugtür – direkt bei der Küche – ist eine weitere Besonderheit auszumachen: eine Bodenverglasung. Hier kann man einen direkten Blick auf die Oberseite des Kellergewölbes werfen, welches normalerweise im Verborgenen liegt. Der gläserne Ausguck verweist einmal mehr auf die historische Vergangenheit und die alte Bausubstanz. Erwähnenswert sind auch zahlreiche Funde, die durch die Freilegung alter Baustrukturen zum Vorschein kamen. So zum Beispiel alte florale Tapeten, die als Relikt vergangener Zeiten partiell an den Wänden bleiben durften.


Was die Zukunft bringt

Veränderungen bleiben nicht aus. Früher wie heute. Auch nicht in städtebaulicher Hinsicht. So ist das historische Gebäude, das einst am Dorfrand stand, durch eine neue Quartierüberbauung mittlerweile mehr ins Zentrum gerückt. An der idyllischen Lage wurde damit etwas gekratzt – dem Charme des alten Gebäudes tat dies aber keinen Abbruch.
voegeli-holzbau.ch

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Vogthaus zur Arche (Einfamilienhaus)
Standort: Himmelrych, Villmergen (AG)
Bauherrschaft: privat
Auftragsart: Direktauftrag
Fertigstellung: 2021
Geschossfläche (SIA 416): 306 m2
Gebäudevolumen (SIA 416): 1348 m3
Architektur: Castor Huser Architekten, Baden (AG)
Holzbau: Vögeli Holzbau AG, Kleindöttingen (AG), Projektleitung: Toni Weiss
Holzböden: Antikschreinerei Bruno Boog, Rickenbach (LU)
Besonderheiten: historisches, denkmalgeschütztes Gebäude
(Zusammenarbeit mit Denkmalpflege Aargau)


Castor Huser Architekten

Das Architekturbüro wurde 1986 gegründet und ist spezialisiert auf den Umbau und die Restaurierung historischer Gebäude nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Zu den Projekten zählen insbesondere Bauern- und Riegelhäuser, Kirchen und Kapellen sowie Schlösser und Türme. Derzeit sind im Büro sieben Mitarbeitende beschäftigt.
castor-huser.ch

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