2/2023 Ansichten
Menschen
«Heute schon das Upcycling von Morgen vorzubereiten, ist vorausschauend»
In NACH.GEFRAGT spüren wir bei Holzbauingenieuren und Ingenieurinnen nach, wie sich der Holzbau entwickelt und mit welchen Bauprojekten sie sich beschäftigen. Dieses Mal sprechen wir mit David Lenzen von der Stamm Bau AG unter anderem über das zirkuläre Bauen und was dies für die Planungsarbeit bedeutet.
Interview Susanne Lieber | Foto zVg
Im Holzbau hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Was sehen Sie besonders positiv an dieser Entwicklung?
In den letzten Jahren ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung das Nachhaltigkeitsbewusstsein stark in den Fokus gerückt. Dieses spiegelt sich unter anderem im modernen Holzbau und damit auch in der Baubranche wider. Ein für mich wegweisendes Beispiel sind die Ansätze des zirkulären Bauens. Neben den Fortschritten bei der Materialentwicklung und den dadurch erweiterten Einsatzgebieten haben die digitalisierten Planungsprozesse einen grossen Beitrag zur verbesserten Qualität und Wirtschaftlichkeit geleistet. Im Hinblick auf die rasante Entwicklung in den letzten 20 Jahren bin ich schon gespannt auf die Zukunft!
Welches sind Ihre persönlichen Leuchtturmprojekte – schweizweit und international betrachtet?
Spontan fallen mir das Berggasthaus Chäserrugg im Toggenburg (SG), der Campus des Olympiaparks München (DE) und der Hauptsitz der SR Bank in Stavanger (NO) ein. Der Leuchtturmcharakter kann dabei in der Optik, in der Tragwerksplanung oder auch in der Ausführungstechnik liegen.
Wo sehen Sie im Holzbau noch Entwicklungspotenzial – planerisch, konstruktiv oder fertigungstechnisch?
Potenzial sehe ich im Planerischen und damit bei allen Projektbeteiligten. Bei Holzbauprojekten ist eine konsequente und vor allem auch sehr frühe Einbeziehung der Holzbaufirmen zielführend. Unerwartete Projektänderungen und allfällige zusätzliche Kosten während der Ausführungsphase werden dadurch weitestgehend eliminiert. Der Entscheid, ob ein Bauprojekt im konventionellen Massivbau oder modernen Holzbau realisiert wird, sollte nach der Vorstudie und Machbarkeitsprüfung feststehen. Ein Umschwenken bei der Materialwahl in späteren SIA-Phasen verursacht Mehraufwand aufgrund der systembedingten Abhängigkeiten. Zudem entstehen Zusatzkosten bei den Fachplanern und ausführenden Firmen, die dem eigentlichen Bauprojekt schlussendlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein Vorstoss, um diese Projektaufgleisung möglich zu machen und die Zusammenarbeit vertraglich darzustellen, sind beispielsweise Pre-Construction-Verträge. In diesen werden die Meilensteine mit den einhergehenden Zielen geregelt und gewerkeübergreifend abgebildet. Ziel muss es sein, dass alle Projektbeteiligten zusammen als Team fachplanerisch denken und arbeiten.
Was für einen Holzbau würden Sie gerne einmal planen und warum?
Holzbrücken haben mich schon immer in ihrer komplexen Planung und Ausführung fasziniert. Neben ihrem symbolischen Charakter bieten sie auch die unterschiedlichsten Möglichkeiten in der Gestaltung und Ausführung.
Bezug nehmend auf das Aufstockungsprojekt auf Seite 22: Wie stehen Sie denn als Holzbauingenieur, aber auch als Holzbauunternehmer solchen w Urban-Mining-Projekten gegenüber?
Sich heute schon Gedanken darüber zu machen, wie Rohstoffe und Bauteile so verbaut werden, dass sie später erneut genutzt werden können, ist so sinnvoll wie notwendig. Wenn sich der Rohstoffmarkt weiter so entwickelt wie prognostiziert, kommt auch die Baubranche an den Punkt, an dem die (Nicht-)Verfügbarkeit von Materialien und die damit einhergehenden stark steigenden Baustoffpreise ein Umdenken bei der Materialnutzung erfordern. Heute schon das Upcycling von morgen vorzubereiten, ist also nur vorausschauend. Diese Art des Denkens und der Planung wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit noch einmal an Bedeutung gewinnen. Natürlich bringt diese Bauweise in der Entstehung mehr Planungsarbeit mit sich, und damit auch mehr Aufwand. Langfristig ist der einfachste und bequemste Weg aber selten der schlauste. Ein weiterer Nebeneffekt der modernen Planungsweise ist häufig auch eine durchdachtere Lösung im Endergebnis. Bei der Aufstockung der Spenglerei in Basel wurden unter anderem Bauteilverbindungen so ausgeführt, dass sie rückbaubar sind, zudem wurden die Installations- und Elektroleitungen sichtbar ausgeführt.
David Lenzen
Aufgewachsen ist David Lenzen in der Nordeifel (DE). Nach seiner Ausbildung zum Tischler und einigen Praxisjahren studierte er an der Fachhochschule Rosenheim «Holzbau und Ausbau». Mit dem Abschluss in der Tasche zog er in die Schweiz und arbeitete in einem Holzbauingenieurbüro als Projektleiter und Tragwerksplaner. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Brandschutzfachmann VKF sowie zum M.Eng. im Vorbeugenden Brandschutz an der Hochschule Kaiserslautern (DE). Seit fünf Jahren ist er für die Stamm Bau AG in Arlesheim (BL) tätig und verantwortet die Spartenleitung Holzbau. Zudem ist er Mitglied der Geschäftsleitung. stamm-bau.ch