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1/2023 Zusammen stark

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«Für gewisse Bautypen sind Holzbauten zur Regel geworden»

In NACH.GEFRAGT spüren wir bei Holzbauingenieuren und Ingenieurinnen nach, wie sich der Holzbau entwickelt und mit welchen Bauprojekten sie sich beschäftigen. Dieses Mal sprechen wir mit Christoph Haas von der EBP Schweiz AG unter anderem darüber, welche Projekte für ihn wirklich Leuchtturmcharakter haben.

Interview Susanne Lieber | Foto zVg


Im Holzbau hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Was sehen Sie besonders
positiv an dieser Entwicklung?

Die wichtigste Entwicklung ist aus meiner Sicht, dass sich der Holzbau neben dem Massivbau als Standardbauweise etabliert hat. Bei fast jedem Projektwettbewerb stellen sich Architekten und Ingenieure am Anfang die Frage, ob es ein Holzbau sein kann oder gar muss. Für gewisse Bautypen, zum Beispiel Schulen, sind Holzbauten zur Regel geworden.

Welches sind Ihre persönlichen Leuchtturmprojekte – schweizweit und international
betrachtet?

Als Ingenieur beeindruckt mich beispielsweise das Swatch Headquarter in Biel. Es ist bezüglich Planung, Herstellung und Montage eine Meisterleistung. Leuchtturmprojekte sind aber eine zweischneidige Sache. In der gängigen Sicht sind sie per Definition aussergewöhnlich und deshalb selten replizierbar. Damit ist auch ihr Beitrag zum Klimaschutz gering. Relevante Leuchtturmprojekte sind darum aus meiner Sicht jene, die Modellcharakter haben – dass heisst, die sich nicht nur durch eine sehr gute CO2-Bilanz und eine hohe Wirtschaftlichkeit abheben, sondern auch zur breiten Nachahmung animieren. Viele der beim letztjährigen Prix Lignum ausgezeichneten Bauwerke sind genau das: Beispiele, wie eine übliche Bauaufgabe sehr gut umgesetzt wurde. Sie leuchten vielleicht etwas weniger stark als das noch höhere Holzhochhaus, ihre Wirkung ist aber grösser.

 

«Relevante Leuchtturm­projekte sind jene, die
Modellcharakter haben.»



Wo sehen Sie im Holzbau noch Entwicklungspotenzial – planerisch, konstruktiv oder fertigungstechnisch?

Wiederum mit Blick auf das Klima sollten wir danach streben, dass der Anteil der Holzbauten am «Bauwerk Schweiz» weiter steigt und dass diese Holzbauten ihr Versprechen bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit bestmöglich einlösen. Bei Ersterem ist Geld ein sehr potenter Treiber und Letzteres erreichen wir, indem unter anderem möglichst lokales Holz verbaut wird. Insofern sind wir als Planende und Ausführende gefordert, noch konkurrenzfähigere Lösungen mit Schweizer Holz zu entwickeln und zu realisieren. Planerisch-konstruktiv ist ein wichtiger Ansatzpunkt, möglichst einfache und materialsparende Konstruktionen anzustreben. Dies dient der Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeit – und gilt übrigens genauso für Massivbauten.

Was für einen Holzbau würden Sie gerne einmal planen?

Ein Gebäude aus Holz und Lehm fände ich sehr spannend.

Bezugnehmend auf das Projekt «Wohnsiedlung Kuppe» in Horgen (siehe Seite 18): Was waren für Sie die besonderen Herausforderungen?

Die Bauherrschaft wollte ein möglichst nachhaltiges Gebäudeensemble planen. Das hat natürlich sehr viele Facetten. Eine davon war, das Untergeschoss zu minimieren – aus Kostengründen und um die Ökobilanz zu verbessern. Deshalb ist nur die Hälfte des Gebäudes unterkellert. Die Längsfassaden kragen beidseitig über das Untergeschoss aus und werden von Betonrippen, deren Unterkante der Aushubböschung folgt, abgetragen. Es half natürlich, dass die oberirdischen Geschosse als reine Holzbauten geplant und deshalb sehr leicht waren. Eine weitere Herausforderung entstand, weil die Wohnungen im Erdgeschoss und Obergeschoss unterschiedlich gruppiert sind. Die Verschachtelung erforderte spezielle Massnahmen in Bezug auf den Schallschutz und auf die Lastabtragung.


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