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WELT.WEIT

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Die Stadt Kassel ist nicht nur Austragungsort der Documenta, sondern auch Nachwuchsschmiede für junge Künstler. An der Kunsthochschule ist nun eine neue Halle entstanden, in der Studierende ihre Arbeiten ausstellen können.


Text Susanne Lieber | Fotos Nicolas Wefers | Pläne Innauer-Matt Architekten

 

Im Innenhof der Kunsthochschule Kassel – ein denkmalgeschützter Bau von 1962 – entstand im letzten Jahr eine Ausstellungshalle. Der deutsche Architekt Paul Friedrich Posenenske (1919–2004), ein Vertreter des Funktionalismus, hatte schon damals den Hof als potenzielle Erweiterungs­fläche angedacht. Mit dem eingeschossigen Neubau steht dort nun den Studierenden ein Präsentationsraum für ihre Werke zur Verfügung. Und mehr noch: Der Bau soll auch als Arbeitsraum für disziplinübergreifende Kunst­projekte dienen. Je nach Bedarf lässt sich die Fläche von insgesamt 450 Quadratmetern entweder komplett offen gestalten oder in mehrere Räume unterteilen. Die mobilen Trennwände aus unbehandelter Tanne sind hierfür ganz einfach zu verschieben.

Konzipiert wurde das Ausstellunggebäude vom Vorarlberger Architekturbüro Innauer-­Matt als vorgefertigter Elementbau mit sichtbarer Holzkonstruktion. Stützen, Balken und Riegel bestehen aus Brettschichtholz, die flächigen Bauteile wie Wandplatten sind aus Brettsperrholz hergestellt. Sämtliche Oberflächen im Innenbereich blieben dabei unbehandelt. Ein an sich schlichter Funktionsbau, der per se kein Aufheben von sich machen will. Und trotzdem handelt es sich hier um kein gewöhnliches Gebäude. Das wird bereits beim Anblick der Fassade deutlich: Die vertikale Verkleidung aus schwarz gestrichenem Lärchenholz ist im mittleren Bereich mit runden Glaselementen besetzt, und zwar insgesamt mit 864 Lichtlinsen, die nach aussen gewölbt und eigens für diesen Bau angefertigt worden sind. Sie prägen nicht nur das äussere Erscheinungsbild, sondern zeichnen sich auch im Inneren des Gebäudes ab – auch hier als markantes Punkteraster. An der Decke wird dieses aufgegriffen, wobei sich dort die Beleuchtung geschickt in die Löcher integriert.


Perforierung in grösserem Massstab
Im Innenraum wirken die runden Elemente wie Perforierungen, die in die Aussenwände gestanzt sind. Sie tragen – zusätzlich zu den verglasten Eingangstüren an allen vier Gebäudeseiten – zur natürlichen Belichtung bei. Wenngleich nur auf diffuse Weise, denn die Innenseiten der Lichtlinsen sind sandgestrahlt.

Werden die Türen des Neubaus geöffnet, erweitert sich die Ausstellungshalle entsprechend in den Aussenbereich. Auf jeder Gebäudeseite ergeben sich so zusätzlich bespielbare Flächen, eingerahmt vom Be­standsgebäude mit Laubengang. Einer dieser Aussenflächen wird von sieben Bäumen beschattet, die einst Joseph Beuys (1921–1986) im Rahmen einer Kunstaktion pflanzen liess. «7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung» nannte der Künstler seinen Beitrag zur Documenta 1982, bei dem eben 7000 Bäume (nicht nur Eichen) im gesamten Stadtgebiet verteilt wurden – jeweils zusammen mit einer Stele aus Basalt.

Die Documenta findet seit 1955 alle vier beziehungsweise fünf Jahre in Kassel statt. Nächste Ausgabe: 2027. documenta.de, kunsthochschulekassel.de 

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